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Bonner General-Anzeiger vom 30.09.98

Wenn Kleopatra ihr Topflappenbustier anzieht

Astrid Irmer zeigte in Siegburg Kabarett vom Feinsten - “Hertha Schwätzig” bringt harte Zeiten für Machos

980830BonnerGeneralanzeigerVon Axel Vogel

Siegburg. Was ist ein “Multitalent”? Die Kabarettistin Astrid Irmer zeigte im Siegburger VHS-Studienhaus einige gewagte Varianten: Etwa, wenn das starke Geschlecht als Slipeinlagen tragender Macho genauso sicher unterwegs ist wie der mit getuntem Staubsauger ausgestattete Putzteufel und die in Toilettenvorleger gewandete Kleopatra. In ungewöhnlichen Rollen und hinreißend komischen Situationen begab sich das Energiebündel aus Hessen in ihrem Programm “Die Zeiten werden Hertha”.

Daß vollschlank und dynamisch einander nicht ausschließen, ist spätestens seit dem Auftritt Irmers als herrlich schrille Kultfigur “Hertha Schwätzig” Gewißheit. Gags und Slapstick der wort- und stimmgewandten Kabarettmadonna kamen im restlos ausverkauften Saal des Studienhauses in derat rascher Folge, daß so mancher Zuschauer kaum mit dem Lachen nachkam. Hertha landete viele überraschende Pointen, die selbst die beengten Sitzverhältnisse und die stickige Luft im proppevollen Raum vergessen ließen.
Schon optisch machte Hertha Schwätzig in den stets neuen Rollen etwas her. So waren allein ihr Regenbogenkleid mit selbstgestricktem Topflappenbustier und das güldene Lackdirndl ein Augenschmaus. Auch die Live-Kostümierung im häuslichen Badezimmer als Kleopatra war vom Feinsten. Diente doch der Toilettenvorleger als Herrschaftsornat und die WC-Ente gab einen trefflichen altägytischen Kopfschmuck ab.
Schrill, bunt und lebenslustig ging die rothaarige Diva selbst mit der Last der eigenen Pfunde um, getreu der Weisheit: Silikon liegt schwerer im Magen als Schokolade - “und läßt sich im übrigen auch schwerer verteilen”.
Wer freilich dachte, mit den amüsanten Episoden sei das Repertoire ausgereizt, sah sich gründlich getäuscht. Denn zwischen den Gags gab´s eingewoben in lockeres Geplauder, Pausenfüller der besonderen Art. Hertha versuchte sich nicht nur an kleinen Zaubertricks mit dem Seil, sondern nutzte auch die gesamte Breite der Bühne für Tanz- und Gesangseinlagen. Dank flotter Songs und Lichteffekte für die Komponist Zeus J. Borrmann verantwortlich zeichnete, erlebten die begeisterten Zuschauer das Wunderweib als Rockröhre.
Doch am stärksten ist Hertha Schwätzig immer dann, wenn es um das Thema “Männer” ging. Vor allem die unter einer Deformation des Y-Chromosoms leidenden “Macho-Mutanten” traf der Spott von “Superwoman”. So sorgte ihre realitätsnahe und detailverliebte Imitation eines “strullenden Machos” für Schenkelklatschen und wahre Lachsalven. Doch selbstverständlich hatte die Künstlerin für die bedauernswerte Gruppe mit dem ausgeprägtem Harndrang im Freien nicht nur Hohn, sondern zudem einen guten Rat parat: Den Griff zur Macho-Slipeinlage.
Daß Hertha der lebende Beweis dafür ist, daß Frauen das eigentlich starke Geschlecht sind, bekam auch Zuschauer Jochen zu spüren. Den trafen das Schicksal und der Blick Herthas auf der Suche nach einem Freiwilligen für einen Haarschnitt. Doch vor den Schereneinsatz hatte Hertha das Orakel gestellt. Jochen wollte sie die Zukunft vorhersagen - nach einstimmigen Zuschauervotum aus seinen Eingeweiden. Doch trotz Einsatzes einer kreischenden Kettensäge ging alles unblutig aus: Bei genauerer Betrachtung von Jochens Innenleben fand Hertha etwas, was selbst ein gnadenloses Powerweib wie sie versöhnlich stimmte: Ein Herz.