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Hertha Schwätzig ist längst eine Kult-Figur. Auf der Bühne versprüht die zaubernde Putzfrau ungebändigten Frohsinn und eine geballte Ladung Frauen-Power. Den eher flüchtigen Momenten eines Kabarettabends wollte Astrid Irmer, Erfinderin der Kunstfigur Hertha, etwa bleibendes entgegensetzen. Und da sie schon immer ihre Plakate am Computer selbst gestaltet hat, machte sie an diesem Punkt weiter. Fotos ihrer Bühnenshow werden in "mühseliger, nächtlicher Arbeit" Pixel für Pixel bearbeitet und schließlich als mittelformatige, farbprächtige Bilder ausgedruckt. Auch diese Arbeit macht ihr Spaß, sie bietet neben den anstrengenderen Aktivitäten regelrechte Entspannungsmomente. Zur Weltpremiere der Ausstellung von Hertha Schwätzigs Computerkunst waren am Sonntag abend vor allem Freunde und Verwandte ins Gießener Musik- und Kulturzentrum (MuK) gekommen. Schließlich ist die gebürtige Oppenröderin in Gießen zur Liebig-Schule gegangen und hat an der Gießener Universität Geschichte, Journalistik und Gerrnanistik studiert. Für ihre Bühnenkarriere nahm sie Schauspiel- und Gesangsunterricht, und sie erlernte die Zauberei. Als eine der wenigen Frauen in diesem Metier schlägt sie mit der Kettensäge zurück; endlich einmal wird nicht die zierliche Assistentin zersägt, sondern Männer aus dem Publikum.
Neben Erdbeerbowle und Knoblauchbrot wurden die Gäste zunächst unterhalten vom Zaubererkollegen Andreas aus Hamburg [Sorry, Konrad! Wir haben das nicht geschrieben! Also an dieser Stelle: Bei "Andreas" handelt es sich in Wahrheit um den unglaublichen Konrad Z. Stöckl aus Hamburg! - DIE RED.], der mit Kartentricks und Luftballonfiguren zu überraschen wußte. Die Ausstellungseröffnung übernahm ganz stilvoll ein Freund aus ihrer Wahlheimat Köln, der im zivilen Leben Religionslehrer ist. und Asmus Ring heißt. Auf der Bühne mutierte er zu Frau Dr. Eva A. Damski und erklärte dem Publikum die moraltheologischen Dimensionen -von Hertha Schwätzigs Bildern.
Sozio-, theo- und psychologisches Kauderwelsch ergänzte sich wunderbar zum kunsthistorischen Fachchinesisch und erhellte ebenso die Bezüge zur byzantinischen Sakralkunst wie zu niederländischen Vanitas-Stilleben. Hertha Schwätzig variiert traditionelle Motive der Kunst in ihrem Sinne. Da wird zum Beispiel Vanitas, also Vergänglichkeit, zu Gloria, also zum Ruhm (so lautet übrigens ihre Signatur). Der grundlegende Unterschied zur herkömmlicher Moraltheologie besteht in ihrer "Theorie der Erbfreude" und so wird, Dr. Eva A. Damski zufolge, Hertha Schwätzig als Andachtsbild zur Ikone heutiger Sex-Symbolik. Ihre immerwährende Botschaft lautet: genieße das Leben im Hier und Jetzt. Zum Ende ihrer gelehrten Ausführungen schickte die Rednerin noch ein selbstverfaßtes Lied hinterher.
Auf den Bildern zu sehen ist immer Hertha Schwätzig in verschiedenen Bühnenkostümen: als Kleopatra, als Mutter Gottes, als Norbert alias Elvis, und natürlich Hertha auf dem Haushaltstrip. Es dominieren starkbunte Komplernentärfarben: Grün, Rot und Gelb entsprechend zu ihrem Outfit mit rotem Haarturm, apfelgrünem Lidstrich und Sonne im Herzen. Die Auflösung der Fotos in kleine Quadrate inspirierte sie zur Umsetzung in eine Art Steckbild mit dem Titel "Hertha Megapearls". Die aneinander gereihten Bügelperlen geben einen verblüffend ähnlichen Eindruck zu den Computerdrucken. Ihr Lebens- und Arbeitsgefährte Jürgen Borrmann spricht gar von "digitalem Impressionismus", wie sie gut gelaunt mitteilt.
"Welcome to planet Hertha" ist nicht nur der Titel eines ihrer Bilder, sondern auch der Motor ihres Arbeitens. Sie will endlich eine starke und fröhliche Frau auf die Bühne und ins Bild setzen. Dazu entwickelt sie ihren ganz eigenen, grellbunten Kosmos, der inhaltlich natürlich rein fiktional ist, Ähnlichkeiten mit dem Leben sind rein zufälliger Natur.
Der "Katalog" zur Ausstellung kostet 25 Mark und beinhaltet als originelle Dreingabe eine CD mit 65 Minuten Tondokumentation aus Hertha Schwätzigs Texten und Liedern. Die Ausstellung "Rumdum Hertha - Hertha rundum" ist bis zum 10. Juni im MuK (Automeile Rivers Barracks) zu sehen Öffnungszeiten Tel. 490067). Am 10. Juni bietet Hertha Schwätzig zur Finissage ihr Programm "Das Leben ist hart - aber ich bin Hertha".
Dagmar Klein
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